Geht es Ihnen auch so, dass Sie manchmal die kleinen Dinge im Alltag sehr viel Mut kosten? Dass es Sie völlig aus der Ruhe bringt, wenn Sie jemand Fremdes ansprechen sollen? Um nach dem Weg zu fragen, oder um Hilfe zu bitten? Die gute Nachricht: Mut im Alltag kann man lernen.
Ein Beispiel
Neulich war ich zu einem Workshop in Salzburg. Im Anschluss daran machten wir in der Gruppe einen Ausflug an einen See. Weit und breit keine Toilette. Das Restaurant am See hatte noch nicht geöffnet. Ein Kellner stand im Garten und deckte die Tische. Komm, wir fragen mal höflich, ob wir ihre Toilette benutzen dürfen. „Also ich trau mich nicht“, sagte eine der Teilnehmerinnen. „Mach das Du, Du bist doch hier die Frau für die Sicherheitstrainings“. Schon komisch, dass sich keine der anderen gestandenen Frauen traute.
Mir macht es in der Tat nichts aus, fremde Menschen anzusprechen. Ich habe das Jahrzehntelang geübt. Man kann das – auch als eher introvertierter Mensch – lernen. Wie Muskeltraining. Hilfreich dabei sind ein paar mentale Tricks, die ich in meinen Seminaren näher behandle.
Was ist das größere Übel, Aufgeben oder Mut beweisen?
Die Szene machte mir bewusst, wie schwer das für manche Menschen ist und dass sie lieber die Komplikation einer vollen Blase in Kauf nehmen, als mit einem Fremden zu sprechen. Der Kellner freute sich sogar, höflich angesprochen zu werden und die Toilettennutzung wurde uns selbstverständlich gewährt.
Das ist jetzt keine lebensbedrohliche Situation. Aber was tust Du, wenn es wirklich mal kritisch wird?
Das Gruppenphänomen
Ein sehr merkwürdiges Phänomen der menschlichen Psyche ist, dass wir in einer Gruppe untertauchen. Typisches Beispiel: Jemand wird überfallen, eine Gruppe von Passanten schaut zu, aber keiner greift ein. Die Mechanismen, warum das so ist, sollen hier nicht näher erläutert werden.
Der Tipp für Opfer solcher Fälle in der einschlägigen Literatur: Suchen Sie sich als Opfer eine Person unter den Umstehenden aus und sprechen Sie sie direkt an „Sie in der gelben Jacke, bitte helfen Sie mir!“. Haben Sie Mut!
Nur, wenn das schon bei so einfachen Dingen wie der Toilettennutzung nicht klappt, wie sieht es dann erst in Situationen aus, in denen der Helfer in eine brenzlige Situation hineingezogen wird? In der möglicherweise sein eigenes Leben bedroht wird? Das ist ja noch schwieriger.
Und jetzt?
Jetzt haben wir zwei Möglichkeiten: wir können tolle Workshops mit Stuhlkreis veranstalten, in denen wir diskutieren warum die Welt so ist und Menschen so ticken, wie sie nunmal ticken. ODER: jeder kann in einem kleinen Bereich nach Lösungen schauen – zuallererst bei sich selbst.
Ich bin ein Freund des praktischen Ansatzes. Auch bei Mut. Daher biete ich in meinen Seminaren zu Reisesicherheit für Frauen einen Part an, in dem wir üben, mit wildfremden Menschen zu sprechen. In Alltagssituationen. Denn nur so wird dieser Muskel trainiert. Wie im Kampfsport. Nur trainierte Reflexe können im Ernstfall abgerufen werden.
Nicht alles ist lebensbedrohlich und erfordert dennoch Mut
Es geht ja nicht immer gleich um lebensbedrohliche Situationen. Bei dem Wort Reisesicherheit haben viele gleich Horrorszenarien im Kopf. Manchmal sind es ja nur so die „kleinen Unwägbarkeiten“, die es zu umschiffen gilt.
Ein weiteres Beispiel
Geschäftstermin in Kassel. Es war Winter, unglaublich kalt und schneite sehr stark. Aus irgendwelchen Gründen hatte ich ein getimtes Ticket gekauft. Der Termin dauerte länger, der Fahrkartenschalter war schon zu, also beschloss ich im Zug nachzuzahlen. Schaffner direkt aufgesucht. Alles kein Problem.
Womit ich nicht gerechnet hatte war, dass das Gerät der Bahn anscheinend keine EC-Karten nimmt. Meine Kreditkarte hatte ich nicht dabei und zum cash zahlen fehlten 15 Euro. Ich weiß jetzt nicht wirklich, wie dadiesbezüglich meine Rechte als Kunde bei der deutschen Bahn sind. Jedenfalls legte der Bahnangestellte mir nahe, an der nächsten Station auszusteigen und von dort mit einer Bummelbahn weiterzufahren. Die könne ich mit dem aktuellen Ticket nehmen. Führe aber erst in einer Stunde und würde auch länger dauern.
Ich glaub‘ es hackt!
Komfort ist das A und O
9 von 10 Frauen wären ausgestiegen, vermutlich auch 7 von 10 Männern. Vielleicht hätten sie einen Freund gerufen, überlegt, wer sie mitten in der Nacht hier abholen könnte.
Wie gesagt, es war spät, ich war müde und draußen war es richtig kalt. Never change a running train! Das war nicht lebensbedrohlich, hätte mein Leben in dem Moment aber ausgesprochen ungemütlich gemacht. Ich schätze Komfort sehr. Plan B musste her.
Mit Bahnangestellten zu diskutieren bringt ja nix. Ich suchte nach Plan B. Da stand so ein netter Herr in Lodenjacke. „Entschuldigung, hatten Sie heute schon eine gute Tat?“. Ne, wieso? Ich schilderte ihm mein Problem. Ich glaube, im Anzug sehe ich recht seriös aus. Jedenfalls übernahm der den Aufschlag. Ich gab ihm meine Visitenkarte und habe das Geld selbstverständlich sofort am nächsten Tag überwiesen. „Die Geschichte muss ich morgen in der Firma erzählen. Das glaubt mir keiner“, sagte er zum Abschied. So hatte er auch noch was davon.
Manchmal muss man ungewöhnliche Wege gehen
Dieses Beispiel soll zeigen, dass man manchmal einfach nur Mut braucht ungewöhnliche Wege zu gehen. Ein Nein hat man ja schon. Ein Ja kann an immer bekommen. Aber ich weiß, wir alle haben gehört „Was ein Erwachsener – in dem Fall repräsentiert durch den Bahnangestellten – sagt, musst Du befolgen“/ „Belästige niemanden“. Oder was auch immer. Sie wissen wovon ich rede. Solche Sätze prägen unser aller Denken und Handeln.
Ist das immer leicht?
Ist das immer leicht umzusetzen? Natürlich nicht. Aber genau deswegen ist das praktische Üben so eine wichtige Komponente in meinen Seminaren. Es geht darin auch immer um Mut und innere Haltung und ganz praktische Umsetzung.
Wenn Ihnen Reisesicherheit ein Anliegen ist, vereinbaren Sie doch gleich einen Termin für eine Inhouse-Schulung.
Mut tut gut!
Ihre Ute Schneider